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Wer glaubt an Fake News? (1)

Fake News versuchen Menschen irrezuführen, oft mit wenig ausgeklügelten Nachrichtenfälschungen. Das wirft die Frage auf: „Wer glaubt und teilt so etwas eigentlich?“

Die wichtigsten Punkte:

  1. Der Glaube an Fake News hängt mit der Offenheit für Bullshit zusammen.
  2. Auch das sog. over claiming hängt mit dem Glauben an Fake News zusammen. Over claiming bezeichnet den Drang zu sagen, dass man etwas kenne oder weiß, obwohl man es eigentlich gar nicht kennt oder weiß.
  3. Menschen, die analytischer Denken, fallen weniger auf Fake News herein und können besser zwischen Fake & Real News unterscheiden. Analytisches Denken bezeichnet die Tendenz, intuitiv richtige Lösungen von Problemen zu hinterfragen und mehr über Probleme nachzudenken.
  4. Die obenstehenden 3 Persönlichkeitsmerkmale sind einem übergeordneten Faktor untergeordnet. Diesen bezeichnen die Autoren mit reflexive open-mindedness.

Allgemeines zu Fake News

Politisch motivierte Fake News sind ein globales Problem. Sie kommen aus allen politischen Spektren doch eines haben sie gemeinsam: Sie wollen zugunsten politischer Ziele irreführen. Dies scheint ihnen auch gut zu gelingen. Vor allem vor der berühmt-berüchtigten Präsidentschaftswahl in den USA 2016 ging die Zahl der geteilten Fake News stark nach oben. Donald Trump selbst hat vor kurzem die Marke von 20.000 Falschmeldungen über seinen Twitter-Account geknackt (1).

Allerdings ist hier weniger Panik angebracht als man in Berichterstattungen über die Wahl häufig lesen konnte. Wie einige Forscher in der Analyse von 16.000 Tweets einer repräsentativen Stichprobe in Amerika vor der Wahl herausfinden konnten, waren in dieser Stichprobe nur 0.1% der Stichprobe für 80% des Teilens von Fake News verantwortlich (2).

Trotzdem generieren Fake News beispielsweise auf Facebook mehr Interaktionen (Teilen, Kommentieren, Liken) als Real News und werden auf Twitter über mehr Ecken verbreitet als reale News (3 & 4; Das Thema Verbreitung von Fake News wäre noch einmal ein eigener Blogeintrag, daher hier nur ein kleiner Überblick).

Persönlichkeitsmerkmale von Fake-News ‘Believern’

Die Studie, die wir uns zu diesem Thema genauer anschauen wollen, ist von Pennycook & Rand (2019) und trägt den Titel “Who falls for fake news?” (5). Die Autoren werten in dieser Studie mehrere Persönlichkeitsmerkmale aus, die die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen an Fake News glauben, erhöhen.

Das grundlegende Konzept wird von den Autoren reflexive open-mindedness genannt. Reflexiv dabei als Gegensatz zu reflektiv. Man sieht, PsychologInnen haben manchmal Spaß an Wortspielen. Mit dieser reflexiven Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Meinungen ist gemeint, dass man die Aussagen anderer Menschen einfach, ohne diese zu hinterfragen, akzeptiert und annimmt. Im Gegensatz dazu beschreibt reflektive Aufgeschlossenheit, dass man die Aussagen anderer zwar akzeptiert, sie aber bevor man sie selbst annimmt auch hinterfragt. Dazu gehört auch, dass man die eigenen Meinungen ständig hinterfragt.

Vereinfacht ausgedrückt: Reflektive Aufgeschlossenheit meint, dass man die Meinungen von sich selbst und anderen auch prüft; Reflexive meint, dass man sie einfach so hinnimmt, ohne sie zu überprüfen.

Pennycook & Rand erklären die Tendenz zur reflektiven Aufgeschlossenheit einerseits über die Bereitschaft zum analytischen Denken. Seit Kahnemann & Tversky geht man davon aus (für einen Überblick siehe (6)), dass zwei verschiedene kognitive Verarbeitungsprozesse unser Denken bestimmen. Einmal gibt es das automatisch ablaufende intuitive Denken und einmal das mit Anstrengung und Absicht verbundene analytische Denken.

Die Tendenz zum analytischen Denken wird über den CRT (= Cognitive Reflection Task) gemessen. Dieser Test beinhaltet Aufgaben, die eine falsche, intuitive Antwort hervorrufen und eine erst bei späteren Nachdenken erkennbare (=analytische) richtige Antwort erfordern. Eine Aufgabe dieses Cognitive Reflection Task ist z.B:

“Ein Tennisschläger mitsamt Tennisball kostet 1,10€. Der Schläger kostet 1€ mehr als der Ball. Wie viel Euro kostet der Ball?”

Die intuitive Antwort ist 10 Cent, denn der Schläger ist ja einen Euro teurer. Das ist allerdings falsch gerechnet, denn wenn der Ball 10 Cent kostet und der Schläger einen Euro teurer ist als der Ball, kostet der Schläger 1,10€. Und 1,10€ + 10 Cent = 1,20€.

Die richtige Antwort, für die man kurz diesen intuitiven Prozess überdenken muss, ist 5 Cent. Denn der Schläger ist einen Euro teurer als der Ball, also kostet dieser bei Ball = 5 Cent 1,05€. Und 5 Cent + 1,05€ = 1,10€.

Eine weitere Persönlichkeitsvariable, die die Autoren messen ist die bullshit receptivity. Das heißt die Aufnahmebereitschaft von Bullshit (für eine ausführliche Erklärung des Begriffs Bullshit, klicke hier). Das Ziel von Bullshit ist es, mit meist hochtrabenden und toll klingenden Aussagen zu beeindrucken. Dabei haben die Aussagen keinen wirklichen Sinn, sie sollen einfach nur beeindrucken. Bullshit wird vor allem dadurch definiert, dass er kein Interesse an der Wahrheit zeigt.

Gemessen wird die Bereitschaft, Bullshit anzunehmen über die Frage, wie fundiert die ProbandInnen Sätze wie

“Verborgene Bedeutung verwandelt unvergleichliche abstrakte Schönheit”

fanden. Diese Sätze wurden von einem Zufallsgenerator entwickelt, d.h. sie sind per Definition Bullshit. Sie wurden ohne Interesse an der Wahrheit entwickelt.

Die dritte Variable im Bund ist das sogenannte over claiming. Dieses beschreibt die erhöhte Bereitschaft von Menschen zu sagen, dass sie etwas kennen, obwohl es dieses etwas gar nicht gibt. Dies wurde durch die Präsentation von Namen historischer Persönlichkeiten mitsamt der Namen erfundener Persönlichkeiten und die darauffolgende Frage: “Wie bekannt kommt ihnen dieser Name vor?” gemessen.

Studiendurchführung

Insgesamt führten Pennycook & Rand drei Studien durch:

Die erste Studie stellt eine Korrelation (= Zusammenhang) zwischen der Aufnahmebereitschaft von Bullshit, over claiming und dem Glauben an Fake News her.

In der zweiten Studie werden dann auch Real News hinzugefügt und geprüft, ob analytisch denkende Personen nur allgemein kritischer gegenüber allem sind (also auch Real News abwerten) oder einfach besser zwischen Real und Fake unterscheiden können. Außerdem wird getestet, ob die Quelle der Nachricht und eine Bekanntheit der Nachricht (“Haben sie diese Nachricht schon einmal gesehen?”) der eigentliche ausschlaggebende Grund für das Erkennen von Fake News sind. Wäre das der Fall, dann wären es weniger Persönlichkeitsmerkmale, die entscheidend sind, sondern eine gewisse Strategie, mit der man an Nachrichten herangehen kann.

Studie 3 ist eine Replikation (Wiederdurchführung an anderem Datenmaterial) von Studie 2.

An der ersten Studie nahmen 402 ProbandInnen teil. Die Messung der Fähigkeit Fake News zu erkennen, wurde an sechs Fake News im typischen Social Media Layout durchgeführt (s. unten). Die Fake News wurden von der Fact-Checking Website snopes.com als falsch klassifiziert.:

Nach der Präsentation einer solchen Headline wurde den ProbandInnen die Frage gestellt:

“Nach bestem Wissen und Gewissen, wie zutreffend ist die Behauptung in der obigen Überschrift?”; Antwortmöglichkeiten waren 1: 1-überhaupt nicht zutreffend, 2-nicht sehr zutreffend, 3-irgendwie zutreffend, 4-sehr zutreffend.

Als kleines Schmankerl zwischendurch noch einmal ein Item aus dem Bullshit receptivity Test. Dieser soll wie oben beschrieben die Offenheit für die Akzeptanz von Bullshit messen:

“Wir befinden uns inmitten einer hochfrequenten Blüte der Vernetzung, die uns Zugang zur Quantensuppe selbst verschaffen wird.”

Die Ergebnisse bestätigten die Hypothesen der Autoren: Je offener man gegenüber Bullshit war und je mehr man overclaiming betrieb, desto mehr glaubte man daran, dass die Fake News zutreffen. Je mehr man die Tendenz zum analytischen Denken besaß, desto weniger glaubte man an Fake News (Die Korrelationskoeffizienten rangierten zwischen .30 und .39. Eine perfekte Korrelation, d.h. ein Effekt wird komplett aus einem anderen erklärt = 1.0). Diese Korrelationen sind für psychologische Forschung recht hoch.

An der zweiten Studie nahmen wieder 402 ProbandInnen teil. Dieses Mal wurde das Material etwas erweitert. Einerseits wurden nicht nur Fake- sondern auch Real News im gleichen Format gezeigt und für die Hälfte der TeilnehmerInnen der Hinweis auf die Quelle der Nachricht entfernt. Dies tat man, um herauszufinden, ob analytischer denkende Personen einfach nur auf die Quellen schauen oder (auch) auf den Inhalt der Nachricht.

Auch hier hingen die Offenheit für Bullshit und der Glauben an Fake News zusammen. Auch konnten Menschen, die offen für Bullshit waren schlechter zwischen Real- und Fake News unterscheiden. Besseres Abschneiden im Cognitive Reflection Task (= analytisches Denken) verhieß auch besseres Abschneiden im Erkennen von Fake News und im Unterscheiden zwischen Real und Fake News.

Übrigens wurden im Allgemeinen von allen ProbandInnen Real News als zutreffender als Fake News ausgezeichnet. Es gab auch keinen Unterschied zwischen der Gruppe ohne Quelle und derjenigen mit Quelle. Das heißt, die Quelle spielt beim Erkennen von Fake News eher eine untergeordnete Rolle, zumindest in dieser Form der Darstellung.

In der dritten Studie wurden Daten von 802 ProbandInnen inkludiert. Inkludiert, weil der Datensatz mit den Antworten schon einmal in einer anderen Studie verwendet worden war. Nun wurde an diesem Datensatz überprüft, ob die Ergebnisse auch hier richtig sind und zusätzlich der Einfluss von politischer Ideologie mit untersucht. In dieser, aus der USA kommenden Stichprobe spielte die Ideologie keine Rolle. Die Ergebnisse aus Studie zwei konnten repliziert werden.

Die Limitationen der Studie sind aufgrund der guten statistischen Aufbereitung recht gering:

1. Wurden Fake News als Überschriften und Unterüberschriften gezeigt, wie es auf Sozialen Netzwerken üblich ist. Es gab aber keine Möglichkeit, die tatsächlichen Artikel zu lesen.

2. Die Frage: “Als wie zutreffend schätzen Sie diese Nachricht ein?”, die nach den Fake/Real News gestellt wurde, könnte die Teilnehmenden zu einem Denkprozess angeregt haben, der normalerweise beim Lesen von Nachrichten nicht stattfindet.

Zusammenfassung

Um der Antwort auf unsere vorherige Frage ein Stück näher zu kommen: “Wer glaubt sowas eigentlich?”

“Personen, die offener für Bullshit sind, sagen, sie hätten Dinge schon einmal gehört, die man gar nicht gehört haben kann und die weniger analytisch denken.”

Es gibt aber noch weitere Persönlichkeitsmerkmale, die die Aufnahme von Fake News beeinflussen wie z.B. eine ‘dunkle Persönlichkeit’. Was es damit auf sich hat, erfahrt ihr in einem der nächsten Artikel.

von Timon Hruschka

Quellen

(1) https://www.washingtonpost.com/politics/2020/07/13/president-trump-has-made-more-than-20000-false-or-misleading-claims/

(2) https://science.sciencemag.org/content/sci/363/6425/374.full.pdf?casa_token=6JhlT5KD5aEAAAAA:KCA16Xs2DgwzYimHnucRbPDcUwCpXvatxwZDCEU2qnfbNz5DEFDP85LMYpMgn6BOo9eJDEjHgfAKMA

(3) https://www.buzzfeednews.com/article/craigsilverman/partisan-fb-pages-analysis

(4) https://science.sciencemag.org/content/359/6380/1146/tab-pdf

(5) https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jopy.12476

(6) Kahneman, D. (2011). Thinking, fast and slow. Macmillan.